Essen wie die Steinzeitmenschen

Paleo ist voll im Trend

Sie sprießen vielerorts wie Pilze aus dem Boden: Paleo-Restaurants. Auch in Internetforen wird eifrig diskutiert und manch populärer Hollywoodstar propagiert die sogenannte Steinzeiternährung schon seit Jahren. Wieder ein Ernährungstrend, der uns verspricht, gesünder, fitter und schöner zu werden? Doch was ist das Besondere an der Steinzeitkost, was sagt die Wissenschaft, und: Lässt sich Paleo als Dauerkost wirklich empfehlen?

Dem Urgeschmack auf der Spur

„Paleo“ steht für das Paläolithikum, die Altsteinzeit (2,4 Mio. bis 10.000 Jahre vor heute). Dementsprechend versteht man unter Paleo eine Ernährungsweise, die sich am vermuteten Speiseplan unserer Vorfahren orientiert. Gemeint ist die Zeit, bevor Ackerbau und Viehzucht betrieben wurden. Leider wissen wir aber nur sehr wenig über die genaue Ernährung in der Steinzeit. Die ersten Vertreter der Gattung Homo (Homo habilis und Homo erectus) ernährten sich vor etwa 2,5 bis 1,5 Mio. Jahren wahrscheinlich von Pflanzen und Fleisch. Neben Stärkewurzeln, Nüssen und Früchten gab es Fleisch von Säugetieren aus Aas und Jagd. Die omnivore, also „allesfressende“ Ernährungsweise mit Fleisch und Pflanzen wurde auch von unserem direkteren Vorfahren, dem Homo sapiens beibehalten, der vor etwa 200.000 Jahren lebte. Dieser sammelte pflanzliche und tierische Nahrung und ging auf die Jagd. Fischfang spielte vermutlich erst ab der Jungsteinzeit vor 30.000 Jahren eine Rolle und auch die Bedeutung von Fleisch und Fisch nahm in dieser Zeit zu.

„Eat Real Food!“

Ausgehend von dieser vermuteten Ernährungsweise in der Steinzeit reduziert die Paleo-Ernährung das Nahrungsmittelspektrum von heute auf das damals verfügbare „Real Food“: Mageres Fleisch, Fisch und Meeresfrüchte, Eier, frisches Obst und Beeren, Gemüse, Pilze und Kräuter, ausgewählte Öle, Honig, Nüsse, Samen und Esskastanien. Dagegen spielen Vollkorngetreide und Getreideprodukte wie Brot, aber auch Milchprodukte und Käse sowie die gesamte Palette der Hülsenfrüchte keine Rolle, da diese erst in der Phase des Ackerbaus und der Sesshaftigkeit vor 10.000 bis 12.000 Jahren hinzukamen. No-Gos bei Paleoanern sind dementsprechend auch alle verarbeiteten Produkte, Fast-Food, Alkohol und Zucker.

Back to the roots?

Das sogenannte Konzept der „Evolutionären Ernährungswissenschaft“ reicht bis in die 1950er Jahre zurück, stieß aber erst durch die Arbeiten des US-amerikanischen Mediziners S. Boyd Eaton auf breites Interesse. Ihr Grundgedanke geht davon aus, dass unsere heutigen Stoffwechselfunktionen noch immer genetisch der Ernährungsweise unserer jagenden und sammelnden Steinzeit-Ahnen entsprechen. Immerhin hat sich dieser Stoffwechsel über viele Jahrmillionen bis Jahrtausende herausgebildet. Im Umkehrschluss wird klar formuliert: Nahrung, die vom steinzeitlichen Muster abweicht, muss ungesund für den Menschen sein, da unser Körper beziehungsweise unser Verdauungstrakt noch nicht genügend Zeit hatten, sich an das veränderte Nahrungsmittelspektrum von heute genetisch anzupassen. Moderne Zivilisationskrankheiten wie Übergewicht, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Fettstoffwechselstörungen, Allergien und Lebensmittelunverträglichkeiten bis hin zu Krebs können Folgen dieser „nicht artgerechten“ Ernährung sein.

Die Annahme, dass Gene unveränderlich seien, ist dabei umstritten. So herrscht in Fachkreisen die Meinung, dass der Mensch sich durchaus genetisch wandelnden Umweltbedingungen anpassen kann und ebenso auch die Umwelt an seine Bedürfnisse anpasst. Die Entwicklung zeigt, dass es auch in den Gesellschaften der Nachsteinzeit, beispielsweise bei den Ackerbauern oder Hirten, zu keinen gesundheitlichen Nachteilen gekommen ist. Unser Stoffwechsel ist also genetisch in der Lage, Getreide, Milch oder Hülsenfrüchte zu verwerten. Auch hat es die typische Steinzeiternährung nicht gegeben. Um zu überleben, hat der Mensch immer das ganze Nahrungsmittelspektrum der damaligen Zeit genutzt. Die modernen Zivilisationskrankheiten sind somit eher ein Zeichen unserer heutigen Lebens- und Ernährungsweise mit einem Überangebot an hochverarbeiteten Lebensmitteln und wenig Bewegung.

Was bringt´s dem Körper?

Die Steinzeit-Ernährung hat aus ernährungsphysiologischer Sicht durchaus Vorteile. Reichlich Obst und Gemüse liefern Mineralstoffe, Ballaststoffe und Vitamine. Fisch und mageres Fleisch punkten mit wertvollem Eiweiß und auch der Verzicht auf industriell stark verarbeitete Produkte und Zucker ist positiv zu bewerten. Qualität und Nachhaltigkeit haben in der Lebensmittelauswahl bei Paleo einen hohen Stellenwert. Und so ist es nachvollziehbar, dass sich viele Menschen durch die Ernährungsumstellung wohler und aktiver fühlen, vor allem, wenn der Ernährung im Vorfeld weniger Beachtung geschenkt wurde.

Grundsätzlich gilt jedoch: Je stärker die Palette an naturbelassenen Lebensmitteln eingeschränkt wird, desto schwieriger kann es werden, dem Körper alle Nährstoffe in ausreichender Menge zuzuführen. So können durch den Verzicht auf Getreideprodukte wichtige Mineral- und Ballaststoffe fehlen. Und auch das wertvolle Kalzium ist bei einem Speiseplan ohne Milchprodukte aus anderen Quellen oftmals schwerer zu beziehen. Unklar ist in Fachkreisen auch, wie sich der hohe Eiweißkonsum langfristig auf die Funktion von Niere und Leber auswirkt. Dieser liegt bei der Paleo-Kost bei ungefähr bei 32-37 Prozent der Gesamtenergie, während wir normalerweise bei einer vollwertigen Kost nur durchschnittlich 20 Prozent Eiweiß zu uns nehmen.

Als Dauerkost nur mit Ernährungsplan

Wenn die moderne Interpretation von Paleo bedeutet, natürlichen und wenig verarbeiteten Lebensmitteln den Vorzug vor Junk-Food zu geben und möglichst selber zu kochen, wird wohl keine Ernährungsfachkraft etwas dagegen einwenden. Schließlich entspricht dies den Grundsätzen einer vollwertigen Ernährung. Einige Paleo-Vertreter gehen auch mittlerweile dazu über, Milch- und Vollkornprodukte in Abhängigkeit von der „individuellen Verträglichkeit“ zu tolerieren. Wer sich jedoch langfristig streng nach den Steinzeitvorgaben ernähren möchte, dem sei auf jeden Fall empfohlen, einen guten Ernährungsplan aufzustellen, um eine ausreichende Nährstoffzufuhr zu sichern. Die Paleo-Küche von heute lässt sich auf jeden Fall einiges einfallen, um unsere Gaumen mit raffinierten Gerichten zu verwöhnen: Zucchini im Speckmantel, Süßkartoffelpuffer mit Räucherlachs oder Paprika Cashew-Hühnchen mit Kokosmilch. Wer weiß schon genau, was es damals in der Steinzeit alles so gab!

Dipl. oec. troph. Susanne Mücke

Literaturnachweis

Ströhle, Alexander; Hahn, Andreas : Ernährung wie in der Steinzeit : Einsichten und Missverständnisse. Ernährung im Fokus 10-11/2015, S. 450-456. Ströhle, Alexander; Hahn, Andreas : Steinzeiternährung : Zurück zum Ursprung? UGB Forum 1/15, S. 13-15. Keller, Markus : Naturgemäße Ernährung. Köstlich vegetarisch 1/15.

1 Comment

  1. Beobachten Sie Tiere in freier Wildbahn. Die knabbern den ganzen Tag an etwas herum. Schmackhafte Gräser, Knospen, junge Pflanzentriebe, reife Samen, Würmer, Käfer Insekten, Pilze usw. Davon jeweils wenig aber andauern.


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